Psychogene Atemnot (Dyspnoe)
Was ist psychogene Atemnot (Dyspnoe)?
„Psychogen“ bedeutet „psychisch bedingt“ bzw. „von der Psyche ausgehend“. Von psychogener Atemnot (Dyspnoe), auch unter der Bezeichnung funktionelle Atemstörung bekannt, spricht man, wenn keine körperlichen, sondern mentale Auslöser das Gefühl hervorrufen, nicht ausreichend Luft zu bekommen. Dennoch stellt die psychogene Atemnot eine nicht weniger ernst zu nehmende Bedrohung dar. Betroffene haben oft das Bedürfnis nach schneller und tiefer Atmung, obwohl ihre Sauerstoffversorgung in der Regel normal ist.
Atemnot kann von Betroffenen als potenziell lebensbedrohlicher Zustand wahrgenommen werden – unabhängig vom Hintergrund. Selbst wenn im ersten Moment keine körperlichen Ursachen festzustellen sind, muss eine psychogene Atemnot dringend ernst genommen und behandelt werden. Schließlich handelt es sich dabei um ein eigenes Krankheitsbild, das sogar mit einem ICD-Code versehen ist (F45.3)1, also einem Abrechnungsschlüssel für die Krankenkassen.
Physische oder psychische Atemnot?
Atemnot kann sowohl bei körperlichen als auch seelischen Belastungen sowie im Zusammenhang mit Erkrankungen auftreten. Bei der Atemnot bedingt durch restriktive oder obstruktive Lungenerkrankung, wie z. B. Asthma oder COPD, entsteht sie durch die Verengung der Bronchien. Die Messung des Ausatemspitzenflusses mithilfe eines Peak-Flow-Meters versetzt Patient:innen in die Lage, diese beiden Krankheitszustände deutlich voneinander zu trennen. Eine Verengung der Bronchien zeigt sich durch vermehrte Schwankungen des Ausatemspitzenflusses im Tagesverlauf, während bei einer psychogenen Atemnot der übliche Peak-Flow-Wert konstant bleibt.
Woher weiß man, ob man unter physischer oder psychogener Atemnot leidet?
Wer ein sicheres Zeichen dafür sucht, dass eine Atemnot oder Kurzatmigkeit psychisch bedingt ist, sollte auf die Vitalparameter achten. Genauer gesagt: den Peak Flow messen, also die maximale Ausatemgeschwindigkeit2. Am einfachsten geht dies mit einem kleinen Handgerät – dem Peak-Flow-Meter – den Patient:innen selbst anwenden können. Zusammen mit dem oder der behandelnden Lungenarzt/-ärztin sollten Untergrenze und Normalwert des individuellen Peak Flows festgestellt werden – so kann man im Falle einer Atemnot innerhalb weniger Sekunden beantworten: Handelt es sich um eine physisch begründete oder eine psychogene Atemnot?
Ursache und Symptome der psychogenen Atemnot
Obwohl die genauen Mechanismen, die der psychogenen Atemnot zugrunde liegen, nicht vollständig verstanden sind, geht man davon aus, dass Stress und psychische Belastungen zu einer Überstimulation des autonomen Nervensystems führen können. Dieses System reguliert unbewusst ablaufende Prozesse im Körper, darunter auch die Atmung. Bei einer Überstimulation kann es zu einer Überaktivität der Atemmuskulatur und des Atemzentrums im Gehirn kommen.
Patient:innen beschreiben häufig Symptome wie z. B:
- Kurzatmigkeit oder das Gefühl, nicht tief genug atmen zu können
- beschleunigte oder unregelmäßige Atmung (Hyperventilation)
- Engegefühl in der Brust
- Engegefühl im Hals
- Schwindel und Benommenheit
- Herzklopfen oder Herzrasen
- Angst, die mit Atemnot einhergeht oder diese verschlimmert
Diese Symptome können dazu führen, dass Betroffene eine vermehrte Angst vor körperlichen Erkrankungen wie einem Herzinfarkt oder einem Asthmaanfall entwickeln, was wiederum die Atemnot verstärken kann.
Dyspnoe bei COPD, Asthma und Long-/Post-COVID
Auch Patient:innen mit der Diagnose Asthma oder COPD sowie Betroffene von Long- oder Post-COVID leiden häufig unter einer zu kurzen und oberflächlichen Atmung. Genauso kann ein Lungenemphysem zu dieser Kurzatmigkeit führen, um nur einige Beispiele zu nennen. Der Grund: Diese Krankheitsbilder gehören zu den obstruktiven Lungenerkrankungen. Sie verengen die Atemwege – eine tiefe Ein- und Ausatmung wird dadurch erschwert. Das hat verschiedene Auswirkungen auf den Körper: So ist durch die oberflächliche Atmung der Gasaustausch gehemmt – die Sauerstoffaufnahme wird dadurch begrenzt und gleichzeitig weniger Kohlendioxid ausgeatmet. Wer flacher atmet, muss zudem häufiger ein- und ausatmen – die Atemfrequenz steigt bei gleichzeitiger Kurzatmigkeit, was dem Körper das Signal übermittelt, dass er sich in einer Stresssituation befindet. Stresshormone werden entsprechend ausgeschüttet, was das beklemmende Gefühl noch steigert3. Wer jetzt nicht aktiv die Kontrolle über die Atmung zurückgewinnt, kann schnell in einen Atemnotzustand geraten.
Diagnose der psychogenen Atemnot
Die Diagnose einer psychogenen Atemnot ist oft eine Ausschlussdiagnose. Das bedeutet, dass körperliche Ursachen für die Atembeschwerden sorgfältig untersucht und ausgeschlossen werden müssen. Zu den Untersuchungen gehören üblicherweise:
- Lungenfunktionsprüfungen, um Asthma oder andere obstruktive und restriktive Lungenerkrankungen auszuschließen
- Blutuntersuchungen, um Infektionen oder biochemische Ungleichgewichte zu erkennen
- Bildgebende Verfahren wie Röntgen oder CT des Thorax, um Strukturveränderungen der Lunge und des Brustkorbs auszuschließen
- EKG und ggf. weiterführende kardiologische Untersuchungen, um Herzerkrankungen auszuschließen
Falls keine physische Ursache gefunden wird und weitere Symptome auf eine psychische Komponente hindeuten, kann es sich um eine psychogene Atemnot handeln.
Behandlungsmöglichkeiten für die psychogene Atemnot
So vielfältig wie die Ursachen, sind auch die therapeutischen Möglichkeiten breit gefasst und müssen für den die Betroffenen individuell in Abstimmung mit den behandelnden Ärzt:innen und Therapeut:innen abgestimmt werden. Denn die Atmung ist ein komplexer Prozess und die Behandlung kombiniert i. d. R. psychotherapeutische Ansätze, um die zugrunde liegenden emotionalen Ursachen anzugehen, mit Atemtechniken zur Verbesserung der Atmung und Stressbewältigung.
Therapieansätze können beinhalten:
- Psychotherapie, wie die kognitive Verhaltenstherapie (KVT), um dabei zu helfen, Auslöser von Stress zu verstehen und zu bewältigen.
- Atemübungen und Entspannungsverfahren sowie Achtsamkeitstraining, um die Atemregulation zu verbessern und die Angstreaktion zu reduzieren.
- Medikamente, insbesondere wenn die psychogene Atemnot im Zusammenhang mit Angststörungen oder Depressionen steht. In solchen Fällen können selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRIs) oder Benzodiazepine kurzzeitig verschrieben werden, wobei letztere aufgrund des Abhängigkeitsrisikos mit Vorsicht angewendet werden sollten.
Es gibt eine große Bandbreite an Atemtechniken und Hilfsmitteln, mit deren Unterstützung die Atmung verändert und die Psyche beruhigt werden kann. Prinzipiell gilt: Körper und Geist sind als Einheit, nicht getrennt voneinander zu betrachten. Sie hängen eng miteinander zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. So lässt sich erklären, weshalb eine reduzierte Atemfrequenz beispielsweise eine allgemeine Entspannung im Körper hervorrufen kann – und auch andersherum kann man mit bestimmten Methoden eine Atemnot reduzieren oder sogar stoppen.
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Neue Möglichkeiten für die Nutzung der Verbindung zwischen Körper und Gehirn.
Ein noch recht neuer Bereich der Sportwissenschaften, der sich mit der Verbindung zwischen Nervensystem und physischer Leistungsfähigkeit beschäftigt, ist die Neuroathletik. Die Theorie dahinter: Statt rein körperlich zu trainieren, wird das Gehirn – beziehungsweise das neurologische System – aktiv mit einbezogen und die Leistungsfähigkeit des Körpers dadurch verbessert. Über das neuroathletische Training soll das Gehirn dahingehend geschult werden, dass es nach und nach bestimmte Schutzmechanismen ablegt. Ein Beispiel hierfür ist das bewusste Schielen: Dabei kommen andere sensorische Reize am Mittelhirn an, als es bei „normaler Sicht” der Fall ist. Der Effekt: Die Muskulatur im Kopf- und Nackenbereich und der gesamten oberen Wirbelsäule wird fester und stabiler4.
Das Atemzentrum ist eine funktionelle Einheit in unsrem Gehirn und gehört zum autonomen Nervenzentrum. Der parasympathische Zweig des Nervensystems steht in Verbindung mit der Ausatmung und spielt eine wichtige Rolle bei der Entspannung.
Ein weiteres Beispiel ist der bewusste Einsatz der Zunge. Der Hintergrund: Die Zunge liefert mehr sensorische und motorische Reize an das Gehirn als der gesamte Rumpf. Sie aktiviert einen Bereich im Stammhirn, der für Koordination und Gleichgewicht verantwortlich ist. So erklärt sich, warum man nach dem Zunge rausstrecken den Kopf weiter drehen kann5.
Wo besteht nun der Zusammenhang zur Atmung? Deutlich wird: Das Gehirn, beziehungsweise das neurologische System, hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Leistung und Funktion des Körpers. Genauso ist es andersherum möglich, durch gezielte Reize den Körper zu beeinflussen – auch im Hinblick auf die Atmung.
Fazit psychogene Atemnot
Die psychisch bedingte Dyspnoe – Psychogene Atemnot – ist ein komplexes Phänomen, das eine sachkundige und einfühlsame Herangehensweise in der Diagnose und Behandlung erfordert. Obwohl körperliche Symptome im Vordergrund stehen, ist es wichtig, die psychologische Komponente zu berücksichtigen und zu behandeln. Mit einer geeigneten Therapie können Symptome verbessert oder gar überwunden werden.
Jede Veränderung der Atmung kann ein Warnsignal sein. Sollten Sie unter Atemnot leiden, ist es wichtig, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen!
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1 MedKolleg, Portal für Medizin und Gesundheit. Psychogene Dyspnoe ICD-10 Diagnose F45.3. Abgerufen via www.med-kolleg.de/icd/P/22990.htm am 04.04.2022
2 Leichter atmen, 2021: Lungenfunktionstest – Normwerte. Abgerufen via www.leichter-atmen.de/lungenfunktionstest-werte am 01.04.2022
3 Dr. Gumpert, 2021: Psychisch bedingte Atemnot. Abgerufen via www.dr-gumpert.de/html/psychisch_bedingte_atemnot.html am 04.04.2022
4 Preuk, 2021: Neuroathletik für jedermann: Sie haben Rückenschmerzen? Neuro-Papst empfiehlt „Augen-Liegestütz“. Abgerufen via www.focus.de/gesundheit/gesundleben/fitness/neuroathletik-mit-training-des-gehirns-die-leistung-verbessern_id_10489268.html am 31.03.2022
5 Lienhard, L. (2019). Training beginnt im Gehirn: Mit Neuroathletik die sportliche Leistung verbessern (Riva Verlag)
Fotos: Thomas Vogel / istock.com, Jordi Calvera Solé / istock.com, Irina Shatilova / istock.com, Khanchit Khirisutchalual / istock.com
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